30-40 Prozent aller schweren Kniegelenksverletzungen betreffen die Kreuzbänder, wobei das vordere Kreuzband circa 10 mal häufiger als das hintere Kreuzband betroffen ist. Statistisch gesehen beträgt die Inzidenz 0.5-1 Prozent Kreuzbandrisse auf 1000 Einwohner. Zur Zeit kommt es in Deutschland zu ungefähr 100.000 Kreuzbandrissen pro Jahr.
Die Diagnose Kreuzbandriss ist in über 90 Prozent durch die Untersuchung und Anamnese zu stellen.
Die Diagnose vordere Kreuzbandruptur ist erst dann zu stellen, wenn eine hintere Kreuzbandruptur ausgeschlossen ist.
Hilfreich in der klinischen Diagnostik sind instrumentelle Messungen wie das KT-1000 Kniegelenksarthrometer (MEDmetric® Corp. San Diego) oder das Rolimeter
Für die Verlaufskontrolle nach rekonstruktiver Operation, egal ob healing response oder Kreuzbandplastik ist dies unerlässlich.
KT 1000
Der Vorschub des Unterschenkels gegenüber dem Oberschenkel in der sogenannten Lachman-Position lässt sich recht einfach reproduzierbar messen. Bei einer Seitendifferenz von mehr als 5 Millimetern ist von einer Kreuzbandruptur oder Insuffizienz auszugehen.
Verletzungsmechanismus
Die Funktion des vorderen Kreuzbandes besteht zum Einen darin, die Beweglichkeit des Unterschenkels gegenüber dem Oberschenkel in der Frontalebene zu begrenzen. Zum Anderen, die Innendrehung des Unterschenkels gegen den Oberschenkel zu begrenzen.
Der häufigste Verletzungsmechanismus zum Beispiel beim Handball ist eine sogenannte „non Kontakt Verletzung“, zum Beispiel bei einer Körpertäuschung.
Der Oberkörper dreht über den feststehenden Unterschenkel nach Außen, zusätzlich kommt es zu einer Beugung im Kniegelenk und zu einer Überdehnung des inneren Kapselbandapparates.
Kommt es zu einem Riss des vorderen Kreuzbandes berichten viele Patienten über ein Knackphänomen, anschließende Belastungsschmerzen. In der Regel kommt es zu einer raschen Ergussbildung und Schwellung innerhalb der ersten Stunde.
Speziell bei älteren Verletzungen berichten die Betroffenen über eine giving-way-Symptomatik, hierunter ist eine Gangunsicherheit mit dem Gefühl des Wegrutschens im Kniegelenk zu verstehen. Ungefähr 10-20 Prozent der Kreuzbandverletzungen zeigen keine Ergussbildung, dies ist darauf zurückzuführen, dass das Band in dem ihn umgebenden Schleimhautschlauch reißt und es somit nicht zur der üblichen Einblutung in das Gelenk kommt.
Operationstechnik
In der Literatur sind über 400 verschiedene Operationsmethoden für den Ersatz des vorderen Kreuzbands beschrieben. Lange Jahre galt die Patellarsehnentechnik mit Doppelknochenblock (BTB bone tendon bone) als goldener Standard. In den letzten Jahren haben sich zunehmend die Kniebeugesehnen als primäres Transplantat durchgesetzt. Zur Fixation werden die unterschiedlichsten Systeme eingesetzt, früher mit Schrauben und Krampen, dann Titan-Interferenzschrauben, in den letzten Jahren zunehmend resorbierbare Interferenzschrauben, Cross-pins und Endo-button Techniken.
Lange Zeit spielten die Techniken, welche gänzlich auf Fremdmaterial verzichten eine untergeordnete Rolle, in den letzten Jahren kommt es hier allerdings zu einem raschen Fortschreiten und Etablierung dieser Techniken.
Bei uns kommen die, auf Fremdmaterialien verzichtende all pressfit Operationstechnik nach Dr. Gernot Felmet (www.artico-klinik.de) zur Anwendung. Für die Erstversorgung steht die Semitendinosussehne alleine oder zusammen mit der Gracilissehne an erster Stelle, für Revisionen die Quadrizeps- oder Patellarsehne.
Galt lange Zeit die Regel, dass bei einem Hämarthros (Bluterguss im Gelenk) möglichst bald arthroskopiert werden sollte, um das Blut auszuspülen und dann ca. 6 Wochen später die Kreuzbandplastik durchzuführen, ging in den letzten Jahren die Tendenz eher dahin zunächst abzuwarten und dann nach 6 Wochen eine definitive Versorgung durchzuführen.
Zwischenzeitlich gibt es allerdings schon wieder Tendenzen zum zweizeitigen Vorgehen. Der Vorteil liegt hierbei im Wesentlichen darin, dass Begleitverletzungen wie Meniskusrisse direkt versorgt werden können, bei der Kreuzbandplastik circa 8 Wochen später kann dann der Erfolg oder auch Misserfolg zum Beispiel einer Meniskus-Naht kontrolliert und ggf. erneut therapiert werden.
Wir verfahren in der Regel dahingehend, dass bei einem Kreuzbandriss, bei welchem Begleitverletzungen sicher ausgeschlossen werden können, bis zur Reizfreiheit, das heißt kein Erguss und weitgehend freie Beweglichkeit zugewartet wird. Zeigt sich ein Meniskusriss welcher genäht werden könnte, so erfolgt zuerst eine arthroskopische Therapie dieser Verletzung und dann ca. 8 Wochen später die Kreuzbandplastik.
Bei jungen Patienten mit Teilrupturen oder stehendem Synovialschlauch kommt als Sonderform die healing response Operation zur Anwendung. Hier wird über spezielle Techniken eine Blutung im Ursprung des Kreuzbandes induziert unter der Vorstellung dass es hier über eine Stammzellreaktion oder Vernarbung zu einer Heilung kommt.
Aus unserer Erfahrung zeigt sich, je jünger ein Patient ist, desto höher ist die Chance, dass diese Methode zum Erfolg führt. Etwa jeder vierte Patient bei welchem diese Methode angewendet wird, braucht auf Dauer eine vordere Kreuzbandplastik was wiederum bedeutet drei von vieren brauchen keine!
Kreuzbandplastik bei offenen Wachstumsfugen
Gerade bei Kindern ist eine Stabilisation des Gelenkes unbedingt erforderlich. Hier kommt bei uns bei einer frischen Verletzung fast immer die Narbeninduktion zum Einsatz. Führt dies nicht zum Erfolg muss eine Stabilisation erfolgen. Man kann Kindern nicht die Bewegung verbieten, bis die Fugen geschlossen sind. Die Folge von Instabilitäten im Kindesalter sind unbehandelt Innen- und Außenmeniskusrisse und ausgeprägte Knorpelschädigungen, welche ab einem gewissen Stadium nicht mehr vernünftig behandelt werden können.
Beispiele für verschiedene Rissformen
Gerissener Stumpf eine künstlichen Kreuuzbandersatzes, eines sog. Kennedy LAD.
Mitte der 80iger bis 90iger wurde versucht ein Riss des vorderen Kreuzbandes mit Kunstbändern wie im oberen Beispiel zu sehen, zu ersetzen. Die Erfahrung zeigte, dass dies nicht funktioniert. In der Regel kam es bereits im ersten Jahr nach der Operation zu einem Versagen des Transplantates. Zum Einsatz kamen Materialien wie Kohlefaserbänder, welche massive Probleme über den Abrieb mit der Folge der gefürchteten schwarzen Knie bedingte.
Weiter kamen Gortexbänder, welche sich zu einer Art Wollkneul im Gelenk umbauten und weitere Materialien ohne Erfolg zum Einsatz.
Operationstechnik
zunächst wird mit einem Elektrosystem der Eintrittspunkt für das Zielgerät am Unterschenkel zentral im Verlauf des alten Kreuzbandes markiert.
Anschließend wird das Zielinstrumentarium montiert.
Mit den Diamanthohlschleifen wird im Nassschleifferfahren ein Knochendübel aus dem Unterschenkel gewonnen .
Aus dem Oberschenkel wird ebenfalls mit einer Diamantholschleife ein Knochendübel über den anteromedialen Arbeitszugang entnommen. Hierbei ist darauf zu achten, dass der Bohrkanal in anatomisch korrekter Position direkt an der hinteren Knochenkante und auf der 2 Uhr Position gelegt wird. Im rechten Bild wird in der Durchzugsdraht eingebracht. An dessen Ende findet sich ein Faden welcher durch dem tibialen Bohrkanal wieder nach außen gezogen wird. Mit Hilfe dieses Fadens wird dann das Transplantat durch dem tibialen Bohrkanal eingezogen.
Das Kreuzbandtransplantat ist circa 8 mm dick und 90 mm lang. Am Ende, welches in dem tibialen Bohrkanal zu liegen kommt, wird ein Knochendübel eingenäht, welcher etwas dicker als der Kanal ist. Anschließend wird das Transplantat eingezogen und tibial so weit hochgestößelt, bis es sich verblockt. Der Bohrkanal am Femur wird ebenfalls mit einem Knochendübel verschlossen und hiermit wird das Transplantat fixiert.
Nach Einschlagen des Dübels zeigt sich das Transplantat in korrekter Position fixiert, der Bohrkanal im Femur ist gelenknah verschlossen.
Abschließend erfolgt die Kontrolle, dass das Band in maximaler Streckung und Beugung ohne Impingement läuft.
Die computertomographische Kontrolle zwei Tage nach der Operation zeigt im linken Bild wie sich der tibiale Dübel im Unterschenkel verblockt. Rechts zeigt sich der Verschluss des Hebedefekts. Aus diesem Bereich wurde der Dübel gewonnen welcher in das Band eingenäht wurde.
Das linke Bild zeigt den computertomographischen Schnitt in Höhe des kortikalen Anteils des Knochendübels im Unterschenkel welcher den Kanal vollständig verschließt. Im spongiösen Bereich (rechtes Bild) lässt sich der Knochendübel zwei Tage nach der Operation kaum vom umliegenden Knochen unterscheiden.
Das linke Bild zeigt die computertomographische Kontrolle des rechten Operationsbefundes. Der Bohrkanal ist in korrekter Lage direkt an der Kortikalis verschlossen. .
Computertomographische 3D-Rekonstruktion am zweiten postoperativen Tag.
Links sieht man am Unterschenkel auf der rechten Seite den mit den entnommenen Knochendübeln wieder verschlossenen Bohrkanal.
Im rechten Bild an der Oberschenkelinnenseite den ebenfalls wieder komplett verschlossenen Bohrkanal, so dass direkt nach der Operation wieder normale anatomische Verhältnisse vorliegen.
Die Operation wird bei uns unter kurzstationären Bedingungen durchgeführt. Drei Tage nach der Operation nach Versorgung mit den entsprechenden Hilfsmitteln erfolgt in der Regel die Entlassung aus dem Krankenhaus
Revisionsoperationen
Im nachfolgenden Beispiel lässt sich erahnen, dass eine Revision, wie hier nach Patellarsehnenplastik, sich teilweise recht schwierig gestalten kann. Während die femoralen Schrauben oft bei einer korrekten Neuanlage des Bohrkanals nicht stören, können die Defekte im Unterschenkel teilweise recht problematisch werden.
Beispiel Handball Zweitliga Spieler (20 Jahre) mit ausgeprägtem Knorpelschaden am lateralen Femurkondylus. Re-Reptur zwei Jahre nach Kreuzbandplastik mit Patellarsehne.
Re-Ruptur nach ACL-Plastik. Arthroskopischer Situs zwei Wochen nach Trauma. Der Kreuzbandstumpf ist abgerundet, somit ist das Transplantat schon deutlich früher gerissen. Derartige Veränderungen brauchen eine Zeit von mindestens 12 Wochen.
Großflächiger Knorpelschaden an der äußeren Oberschenkelgelenkrolle von mehr als zwei Qaudratzentimetern Durchmesser. Bei dieser Größe haben herkömmliche Methoden wie Mikrofrakturierung, Pridie-Bohrung oder Abrasion keine Chance auf einen Erfolg
Alter Schraubenkanal auf der früher gebräuchlichen 11-12 Uhr Position, circa 2 Zentimeter vor der hinteren Knochenkante. Der neue Bohrkanal wurde mit einer 7.25 mm Diamanthohlschleife auf der heute empfohlenen 10.30 Uhr Position direkt an der dorsalen Kortikalis über den medialen Arbeitszugang gelegt. Der alte Bohrkanal wird mit Knochendübeln, welche mit Diamanthohlschleifen aus dem Unterschenkel und Oberschenkel gewonnen werden in bei der bei uns angewandten Technik, verschlossen.
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Re-Plastik (3) mit Semitendinosus und Gracilis Sehne dopppelt, fremdmaterialfrei 3 Wochen nach Entnahme von Knorpel zur autologen Chondrozytentransplantation im Rahmen der Erstarthroskopie und Einnähen des autologen Chondrozytentransplantates (2) in den zuvor gesäuberten Defekt (1)
Acht Monate später
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Das Transplantat ist mit dem umgebenden Knorpel stabil verheilt, es finden sich keinerle Unterschiede bei der Tasthakenuntersuchung.(1,2)
Das vordere Kreuzband zeigt sich stabil und vollkommen synovial eingescheidet. Keine Anzeichen für Impingement .
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Unfall Situs (1) 3 Wochen später (2) Einnähen des Transplantates (3) 8 Monate später (4)
Freigabe für Leistungssport, Training nach 12 Monaten, unter Wettkampfbedingungen nach 16 Monaten. Die Länge der Sportpause ist auf Grund der durchgeführten Chondrozytentransplantation notwendig. Die Kreuzbandplastik für sich wäre nach fünf bis sechs Monaten wieder voll belastungsfähig.